Juni 2017 Hundeschulbrief

Die Schönheit der Hunde

Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters. Dieser Spruch ist wahrscheinlich schon so alt, wie die Menschheit. 
Tatsächlich drängt sich da die Frage auf, ob nur Menschen einen Begriff von Schönheit haben.
Wahrscheinlich haben Tiere auch Vorstellungen von Attraktivität. Warum sollte ansonsten z.B. in der Vogelwelt ein irrwitziger Tanz aufgeführt werden oder mit Farben und Formen der Federn geprotzt werden, dass einem fast schwindelig wird. Hunde dagegen definieren wohl eher "die innere Schönheit". Damit sind natürlich nicht ethische Werte im menschlichen Sinne gemeint, sondern eher der biologische und genetische Status. Wer sich gut riechen kann, hat wahrscheinlich eine hohe genetische Variabilität der Gene, was für gesunden Nachwuchs sorgen kann.
Obwohl Hunde die letzten x tausend Jahre mit Ihrer Idee von Schönheit gelebt und geliebt haben, hat der Mensch irgendwann angefangen Hunde nach seinem Schönheitsideal zu formen. Was ist also Schönheit bei Hunden?
Ich hoffe, dass ich mir mit diesem Artikel nicht nur Freunde mache, aber ich hoffe auch, dass darüber nachgedacht und diskutiert wird.

Aussehen

Vom winzigen Chihuahua bis zum riesigen Wolfshund, nackt oder langes wallendes Fell, Schlappohren oder Stehohren? 

 

Gesundheit

Sind Hunde, die sich nicht auf natürlichem Wege vermehren können, selten auf natürlichen Wege geboren werden, bei ihrem ersten Schritt im Leben schon Schmerzen haben und / oder nicht ausreichend Sauerstoff atmen können schön?

 

Verhalten

Gesundheit beeinflusst das Verhalten aber was ist mit bestimmten Wesensmerkmalen, die wir Menschen für "schön" halten?


Aussehen

Schönheit liegt im Auge des Betrachters. Aber es scheint sowohl eine universelle wie auch eine Individuelle Schönheitsvorstellung zu geben.
Wenn man, wie ich vor kurzen, über eine Hundeausstellung schlendert, sieht man unglaublich viele verschiedene Rassen und von einigen Rassen sind auch viele Vertreter anwesend. 
Ich habe also dann ganz objektiv die Möglichkeit des Vergleichs. Ganz subjektiv werte ich einige Rassen als schöner und andere als weniger schön. Genau so verfahre ich auch bei den Individuen: Schön- weniger schön.
Mir ist durchaus bewusst, dass meine Vorstellung von "Schön" nicht ausschlaggebend und schon gar nicht universell ist.
Ich nehme aber auch wahr, dass es einige Hunderassen und Individuen gibt, bei denen die anderen Menschen hinterher schauen, sich umdrehen, lächeln und sagen: "Das ist ja ein schöner Hund" Oft stell ich fest, daß dieses Verhalten deckungsgleich mit meiner eigenen Wahrnehmung ist.
Überraschenderweise sind es oft gar nicht die besonders exotischen oder extremen Hunderassen ( und / oder) Individuen, die als besonders gefällig betrachtet werden. Sondern oft sind es die Hunde, die nicht zu groß- zu klein, nicht zu dick- nicht zu dünn sind, nicht zu große Ohren- nicht zu kleine Ohren haben usw.
"Normale" Proportionen scheinen zumindest in unserem Kulturkreis eine Rolle zu spielen.
Natürlich gibt es auch Liebhaber der extrem aussehenden Rassen- in alle Richtungen extrem.
Wie kommt es dazu, daß viele Menschen an einem völlig extremen Hund vorbeigehen und höchsten einen mitleidigen Blick für diese mensch gemachte Kreatur über haben und vielleicht etwas murmeln wie" Das arme Ding" während andere freudig aufschreien und dieses wundervolle Geschöpf bejubeln?
Diese psychischen Mechanismen verstehe ich nicht. 
Sobald ein Lebewesen von den meisten Menschen als "Nicht schön" empfunden wird, rufen einige wenige:"Oh, wunderschön".
Diese Menschen haben keinen Gefallen an einem Mittelmaß. Es muss extrem sein um in ihren Augen bestehen zu können.
Bei einigen Richtern entdecke ich genau dieses Phänomen:
Sie sehen etwas, was außer ihnen kein anderer wahrnimmt: Ganz bestimmt Punkte, die sie und nur sie als "Schön" empfinden.
Faszinierend, dass genau die gleichen Punkte von einem anderen Richter völlig konträr gesehen werden. "Was dem ein sien Uhl, ist dem andern sien Nachtigall"
Damit ist meine These vom allgemeinen Schönheitsempfinden natürlich komplett über den Haufen geschmissen. 
Richter haben immer recht und haben durch ihr Richten die Möglichkeit zu sagen was schön ist und was nicht. 
Blöd nur, wenn es einem zu wenig, dem anderen zuviel und dem dritten perfekt ist.
Dann bleibt uns nur unsere eigene Wahrnehmung und ich wünsche Euch, dass euer Hund/ eure Hunde für euch die allerschönsten auf der Welt sind.
Extrem oder Mittelmaß! Egal! Hauptsache ihr findet sie schön.

Gesundheit

Schönheit wird oft gleichgesetzt mit Gesundheit. Oft, aber bei weitem nicht immer.
Warum setzt grade bei Hunden dieses in meinen Augen natürliche Verständnis von Schönheit aus?
Kann bzw. darf  ich als Mensch etwas schön finden, was nicht gesund ist? Über Geschmack und Aussehen lässt sich nicht streiten, wohl aber über den Begriff Gesundheit. Gesundheit ist meiner Meinung nach nicht das Ausbleiben von Krankheit, sondern auch das Vorhandensein von Wohlbefinden und das nutzen des Körpers ohne Einschränkungen.
Es gibt einige Hunderassen, die ihren Körper, rassestandardgemäß, nicht uneingeschränkt nutzen können. Bei einigen Individuen sind diese einschränkenden Rassemerkmale besonders ausgeprägt. Genau diese Individuen, bei denen die Einschränkungen besonders groß ist, werden auf die vorderen Plätze kommen. Das heißt im Umkehrschluss, dass die, die die meisten Probleme mit ihrem Körper haben sich vermehren sollen und diese Merkmale an die nächste Generation weitergeben sollen......
Es findet bei einigen Richtern ein Umdenken statt. Langsam.
In meinen Augen zu langsam.
Die Rede ist von den sogenannten Qualzüchtungen. Diese Hunde werden von ihren Besitzern heiß geliebt und werden meistens gut behandelt. ( Also nicht gequält).
Sie haben lediglich einen durch Zucht dermaßen veränderten Körper, dass sie mit einigen, teilweise erheblichen, Einschränkungen leben müssen.
"Butter bei die Fische" so sagt man in Norddeutschland, wenn man ausdrücken will, dass man endlich auf den Punkt kommt ( kommen soll)
Meiner meinung nach sind folgende Merkmale stark einschränkende Merkmale:
-Ein zu kurzer Fang
Das "Kühlsystem" der Hunde hat keinen Platz mehr. Diese Hunde überhitzen sehr schnell. Temperaturen ab ca. 17 Grad Celsius sind für diese Hunde Folter
Das Jakobsonsche Organ, ein Organ, was zur Aufnahme und Differenzierung von sexuellen Duftstoffen ( Pheromonen) gebraucht wird, ist durch den Platzmangel verkümmert oder teilweise gar nicht mehr vorhanden.
Das heißt der Hund hat kein sexuelles Interesse oder um seine geruchliche Minderwahrnehmung zu kompensieren eine Hypersexualität entwickelt.
Die Zähne haben keinen Platz in den verkürzten Kiefern werden teilweise nicht mehr angelegt. Es kommt dazu, dass Zähne keinen Gegenbiss mehr haben, weil die Zähne sich irgendeinen Platz suchen, wo sie wachsen können. 
Auch durch den Platzmangel verursacht wird das nach hinten gerutschte Gaumensegel. ( Wo soll es denn sonst hin?) 
Die Atemprobleme, die wir alleine schon durch die "zusammengeknautschte" Nase haben, werden noch verstärkt.
Für das jeweilige Individuum ist es "normal", dass die Atemluft knapp ist.  Immer kurz vorm Ersticken- aber halt immer nur kurz davor.
Es gibt noch mehr Beispiele für quälerische Züchtungen wie z.B. so stark veränderte Gliedmaßen, dass Bewegung direkt oder mittelfristig für den Hund unangenehm ist oder wird.
Oder eine Zucht, die mit übermäßiger Fellentwicklung das Wohlbefinden des Hundes einschränkt.
Riesenwachstum, Verzwergung, wo sich die Organe nicht an die Körpergröße anpassen können und so weiter und so fort.
Bitte überlegt euch, ob es unbedingt so extrem sein muss, oder ob ihr einen Hund, der "normal" daherkommt auch "schön" finden könnt.

Verhalten

Ein Hund, der einen Menschen angreift, darf nicht als "schön" bewertet werden.
Das ist meine Meinung.
Verwendungszweck hin oder her. 
Unter Angreifen verstehe ich NICHT einen Hund, der seinen Menschen in einer Notsituation beschützt oder der eine Ressource verteidigt.
Fehlgeleitetes Beuteverhalten, mangelhafte oder schlechte Sozialisation, falscher Umgang, aggressives Training, Haltungsbedingungen, Zuchtauswahl sind Kriterien, die Menschen beeinflussen können und müssen.
Ein Hund, dessen Rassestandard eine erhöhte Aggression oder gar "Mannschärfe" erwähnt hat heutzutage keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft.
Hunde, die eine niedrige Reizschwelle haben, werden bei entsprechender Förderung und einer passenden Verpaarung diese eventuell noch niedrigere Reizschwelle an ihre Welpen vererben.
Tickende Zeitbomben? 
Das kann und darf nicht "schön" sein. Egal wie dieser Hund aussieht.
Auch ein Verhalten, welches durch körperliches "Nicht- Wohlbefinden" beeinflusst wird, und damit ist nicht nur aggressives Verhalten gemeint, macht den Hund zu einem "Nicht schönen Hund"
Als Hundeverhaltensberaterin erlebe ich so viele Situationen in denen Hunde Ihre "Schönheit" verloren haben...
Egal wie Euer Hund aussieht- 
Schönheit ist viel mehr als das Erscheinungsbild!!!
Puh, ich merke grade, ich komme nicht daran vorbei ein Buch zu schreiben.





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